Unsere Geschichte

Die Gründung des Imkervereins am 28.09.1884 fiel in eine Zeit grundlegender Neuerungen in der Imkerei. Bedeutende Imker modernisierten und rationalisierten Mitte des 19. Jahrhundertes die althergebrachte, kaum veränderte Art der Bienenhaltung, der Honig- und Wachsgewinnung. Neue Betriebsmethoden erhöhten den Honigertrag, verminderten Bienenverluste, ermöglichten Reinzucht und erleichterten die Arbeit am Bienenstand.

In der Folgezeit wurden in verschiedenen Gemeinden Bienenzuchtvereine gegründet, mit dem Ziel, allen Imkern die neuen Fachkenntnisse und die daraus entwickelten Verfahrensweisen zu vermitteln.

Der Bienenzuchtverein Ruhpolding, später Imkerverein genannt, gehört zu den Vereinen der „ersten Stunde“, denn bis Ende des Gründungsjahres 1884 gab es in Oberbayern erst 13 Bienenzuchtvereine.

Im September 1884 war im Traunsteiner Wochenblatt folgender Artikel erschienen:
„… Es wäre zu wünschen, dass Männer in und um Traunstein, die den ethischen und materiellen Werth der Bienenzucht zu würdigen wissen, sich bald zusammen scharen, um auch in dem gesegneten Chiemgau, der für die Bienenzucht die günstigsten Verhältnisse bietet, einen so nützlichen Verein in’s Leben zu rufen. Mit gutem Beispiele gehen die Bienenfreunde Ruhpoldings voran deren ca. dreißig beschlossen haben, am Sonntag, den 28. September, Nachmittags um 2 Uhr, im „Bad Ruhpolding“, über eine Stiege behufs Gründung eines „Bienenzucht-Vereins“ zusammenzutreten. Es ist nur zu wünschen, dass recht viele Freunde der Bienenzucht sich zu dieser Versammlung zusammenfinden und ergeht hiermit an Alle, welche bereits Kunde von dem löblichen Unternehmen haben, sowie auch an diejenigen, welchen hievon noch keine Kenntnis geworden, die freundliche Einladung zu recht zahlreicher Betheiligung. Der in’s Leben zu rufende Verein wird es sich vor Allem angelegen sein lassen, außer Verbesserung der Korbbienenzucht, Einführung des beweglichen Baues anzustreben. In löblicher Weise hat die Gemeindeverwaltung Ruhpolding Mittel gewährt zur Errichtung eines Bienenhäuschens im Schulgarten. In monatlichen Versammlungen werden Vorträge über Bienenzucht abgehalten und für junge Leute, die gewillt sind, sich ganz eingehend in der Bienenzucht zu unterrichten, werden besondere Unterrichtsstunden abgehalten werden… .“

Der Standort des ersten Vereins-Musterbienenhauses im Schulgarten in der Nähe des Schulhauses weist wohl auf die engagiert imkerliche Mitarbeit des damaligen Lehrers hin.

Schriftliche Aufzeichnungen über Aktivitäten, über Mitgliederzahlen, über gute und schlechte Honigjahre, über Erfolge oder Misserfolge des Ruhpoldinger Bienenzuchtvereins in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens wurden damals vermutlich nicht erstellt oder gingen inzwischen verloren. Bekannt ist jedoch die Situation im ersten Jahr nach der Gründung, widerum aus einem Zeitungsartikel des Traunsteiner Wochenblattes vom 2. April 1885:
„… Für den Bezirk Traunstein möchte daher empfohlen werden, erst an den verschiedenen Punkten tüchtige Bienenzüchter zu gewinnen und heranzubilden und dann Lokalvereine zu gründen, vielleicht in Traunstein, Marquartstein, Trostberg, Reit im Winkl. In Ruhpolding besteht bereits seit vorigem Herbste ein solcher Lokalverein und hat bisher eine ganz lobenswerthe Thätigkeit entwickelt, indem einfache gute Schriften über Bienenzucht an sämtliche Mitglieder vertheilt, 20 Völker auf Mobilbau, der vorher noch ganz unbekannt war, beschafft, ca. 100 Mobilbauten zur Aufnahme von Schwärmen für das kommende Frühjahr von den 45 Mitgliedern bereit gestellt, ungefähr 12 Bienenhäuser in geschützten Lagen erbaut und die Bienenvölker durch Einstellen in ruhige, trockene Keller und Kammern von den Unbilden des Winters geschützt wurden. In den Monatsversammlungen und aus den Bienenbüchlein von Seb. Kneip, Lotter und Pfäfflein müssen die Leute auch etwas gelernt haben, denn man kann auf der Bierbank gar manchmal ein Paar Bauern sich ganz gescheidt über die Vorzüge des Mobilhauses, über Verbesserung der Korbbienenzucht, über das Wesen der Königin, der Arbeitsbienen und der Drohne, über Honigschleuder und Kunstwabe unterhalten hören. Sollte es in anderen Thälern des Chiem- und Traungaues mit der Zeit nicht auch so werden?…“

In früheren Jahren schafften manche Bauern nach der Meumahd im Tal ihre Bienenvölker mit Tragtieren oder mittels einer Kraxe auf höher gelegene Almen, um ihnen eine neue Bienenweide anzubieten und gleichzeitig ihre Sommerfrischler vor „Stechteufeln“ zu schützen.

Die anfängliche Bezeichnung „Bienenzuchtverein“, allgemein gebraucht, weist deutlich auf eines der erklärten Hauptziele der neuen Vereine hin, nämlich Reinzucht und Reinhaltung einer einheitlichen Honigbienenrasse mit guten Eigenschaften anzustreben. Voraussetzung dafür war die Einrichtung einer Belegstelle (Paarungs- oder Begattungsstelle) inmitten eines fremdbienenfreien Schutzgebietes von bis zu 20 km Durchmesser. Für die Ruhpoldinger Imker erwies sich ein Platz in der Nähe des Staubfalles am Fischbach als besonders gut geeignet.

Unter den ersten in Bayern anerkannten Belegstellen stand sie an siebter Stelle und wurde noch 1927 als eine der schönsten und einwandfreiesten unter den Königinbelegstellen bezeichnet, liebevoll auch das „Bergkirchlein der Chiemgauer Imker“ bekannt. Diese Belegstelle diente in der 1. Hälfte des
20. Jahrhunderts noch der Reinzucht der damals in Oberbayern weitverbreiteten Nigra-Biene, später der Einführung und Verbreitung des sanftmütigen Carnica-(Kärnter-)Biene.

Einer der Höhepunkte in der Vereinsgeschichte war der Königinnenzuchtkurs an den Bienenständen in der Laubau im Juni 1926. Den Kurs leitete Prof. Dr. Zander, ein weltweit bekannter Bienenforscher und Chef der Bayerischen Landesanstalt für Bienenzucht in Erlangen. Über den glänzenden Verlauf dieser Veranstaltung mit Imkern von nah und fern und über den viel beachteten Vortrag Zanders bei der Staubfallbelegstelle wurde in den Fachzeitungen eingehend berichtet.

Die Bienenvölker in unserem Gebirgstal werden des rauheren Gebirgsklimas wegen überwiegend in Bienenhäusern betreut, die ausgewogen verteilt im weiten Ruhpoldinger Gemeindegebiet aufgestellt sind. So findet jedes Volk genügend Nektar- und Pollenspender in der heimischen Pflanzenwelt und garantiert gleichzeitig die notwendige Blütenbestäubung, z.B. der Obstbäume.

In einem Fremdenverkehrsort wie Ruhpolding will man natürlich eine Belästigung der Gäste durch Bienen vermeiden. Die Imker des Vereins versuchen dies zu erreichen durch richtige Wahl des Bienenhaus-Standorts, durch Haltung einer sanftmütigen Bienenrasse aus Reinzucht und durch ganzjährige sorgfältige Pflege der Bienenvölker.

Die ökologische Leistungen der Imker waren und sind auch in Zukunft in Ruhpolding unverzichtbar. Bis zu 90% der Bestäubung in unseren Obstgärten vollbringen allein die Bienen. Der häufig unterschätze Nutzen der Bestäubungsleistung unserer Honigbienen liegt um ein vielfaches höher als der Wert aus dem Verkauf von Honig und Wachs, von Pollen, Kittharz und anderen Nebenprodukten. Aber auch diese Einnahmen decken meist nicht mehr die Ausgaben, die heute eine fachgerechte Bienenhaltung und -zucht erfordern.

Was früher unverzichtbarer landwirtschaftlicher Nebenerwerb war, ist heute fast ausschließlich Freizeitbeschäftigung, und das trotz mancher schlechter Honigjahre, trotz starkem Preisdruckes der konkurrierenden ausländischen Importhonige und der aufwendigen Bekämpfung vieler, auch eingeschleppter Bienenkrankheiten.

Während die Einwohnerzahlen Ruhpoldings seit der Gründung des Bienenzuchtvereins 1884 stetig und auch sprunghaft gestiegen sind, blieb die Zahl der Vereinsmitglieder dagegen bis jetzt ziemlich konstant, pendelnd zwischen dreißig und vierzig, vergleichbar mit der Zahl im Gründungsjahr. Nur wenige Ausnahmen durchbrachen kurzfristig dieses Gleichmaß, z.B. im Jahr 1954 mit 72 Mitgliedern.

Gegenwärtig betreuen rund 38 Mitglieder etwa 300 Bienenvölker in über 14 Bienenhäusern.